
Menschen mit einer „Binge Eating-Störung“ (BES) leiden unter regelmäßigen Essattacken und konsumieren unabhängig von ihrem Hungergefühl in kurzer Zeit große Mengen an Nahrungsmitteln. Obwohl die Essattacken oftmals nur kurz dauern, kann Binge Eating zu Adipositas (Fettleibigkeit) führen.
Aus heutiger medizinisch-therapeutischer Sicht müssen für diese Essstörung folgende Verhaltensmuster erfüllt sein: Über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten muss an wenigstens zwei Tagen pro Woche ein Anfall von Heißhunger aufgetreten sein, bei dem in kürzester Zeit ungewöhnlich große Mengen an Nahrungsmitteln aufgenommen wurden. Der Betroffene verliert die Kontrolle über die Nahrungsaufnahme.
Außerdem müssen mindestens drei der folgenden sechs Diagnosekriterien zutreffen:
- essen, ohne hungrig zu sein
- besonders schnelles Essen
- essen, bis ein unangenehmes Gefühl einsetzt
- allein essen, um Gefühle von Schuld und Scham zu verdrängen
- die Essanfälle werden als belastend empfunden
- nach dem Essanfall treten Gefühle von Ekel, Scham oder Depressionen auf
Binge Eating aus Sicht von Sehnsucht und Hunger
Bei Sehnsucht und Hunger werden die verschiedenen Essstörungen – so auch das Binge Eating – nicht als ein „Problem“ betrachtet, dem es mit Disziplin und kontrolliertem Essverhalten zu begegnen und so in den Griff zu bekommen gilt, sondern als Reaktion auf sehr belastende – manchmal unaushaltbare Kindheitserfahrungen, die mit vielen Kränkungen und Verletzungen einhergegangen sind. Sie sind Ausdruck einer innerpsychischen Dynamik, die infolge von Anpassungsleistungen des Gehirns und der Psyche entstanden sind.
Ein Mensch baut infolge von schmerzhaften Erfahrungen in seiner Kindheit ein Schutzprogramm auf, das das Fühlen von emotionalem Leiden vermeiden soll. Übermäßiges Essen ohne körperlichen Hunger hat dabei zum einen die Funktion des „Abdämpfens“ von emotionalen Spannungen und zum anderen das Ziel einer Ersatzbefriedigung von emotionalen Bedürfnissen, die in der eigenen Biografie nicht oder nicht ausreichend erfüllt wurden.
Mithilfe der „emotionalen Selbstbegleitung“, die bei Sehnsucht und Hunger gelehrt wird, können Binge Eater diese Schutzmechanismen achtsam in den Blick nehmen, den emotionalen (und körperlichen) Spannungen, die damit verbunden sind, einen Ausdruck geben und sich so den eigenen verletzten Seiten behutsam nähern. So verliert das Symptom „emotionales Essen“ und in dessen Folge das Binge Eating nach und nach seine Funktion und wird abgelöst durch eine emotionale Hinwendung zu sich selbst durch den Aufbau einer erwachsenen liebevollen Instanz, die das kann.