Bei Sehnsucht und Hunger wird mit dem Begriff der „Dünnen Dicken“ eine Erscheinungsform einer Essstörungen beschrieben, die sich so in der Fachliteratur nicht finden lässt.
Es gibt Menschen, die kein Übergewicht haben, ihr Gewicht jedoch nur durch Verhaltenskontrolle wie Diäten, Sport oder andauernde Selbstdisziplin halten können. Dies kostet sie sehr viel Lebenskraft und schränkt ihre Lebensqualität stark ein. Da die Betroffenen ohne diese Reglementierungen an Gewicht zunähmen, werden sie bei Sehnsucht und Hunger „Dünne Dicke“ genannt.
Viele Menschen können nicht begreifen, dass „Dünne Dicke“ ein ebenso kraftraubendes Verhältnis zum Essen haben wie Übergewichtige. Die Tatsache, dass sie normalgewichtig sind, bedeutet nicht, dass sie keine Essstörung haben. Auch „Dünne Dicke“ essen emotional und würden schnell zunehmen, wenn sie die Kontrolle aufgäben.
Jeder, der darunter leidet, sein Gewicht nur halten zu können, indem er sehr oft Sport macht, alle Kalorien- oder Punktetabellen auswendig kennt oder regelmäßig Mahlzeiten auslässt oder fastet, um nicht zuzunehmen, zählt zu den „Dünnen Dicken“.
Wie die anderen Varianten von Essstörungen wird auch das Verhalten der sogenannten „Dünnen Dicken“ bei Sehnsucht und Hunger nicht als ein „Problem“ betrachtet, dem es mit Disziplin und kontrolliertem Essverhalten zu begegnen und so in den Griff zu bekommen gilt, sondern als Reaktion auf sehr belastende – manchmal unaushaltbare Kindheitserfahrungen, die mit vielen Kränkungen und Verletzungen einhergegangen sind. Sie sind Ausdruck einer innerpsychischen Dynamik, die infolge von Anpassungsleistungen des Gehirns und der Psyche entstanden sind.
Ein Mensch baut infolge von schmerzhaften Erfahrungen in seiner Kindheit ein Schutzprogramm auf, das das Fühlen von emotionalem Leiden vermeiden soll. Emotionales Essen ohne körperlichen Hunger hat dabei zum einen die Funktion des „Abdämpfens“ von emotionalen Spannungen und zum anderen das Ziel einer Ersatzbefriedigung von emotionalen Bedürfnissen, die in der eigenen Biografie nicht oder nicht ausreichend erfüllt wurden.
Mithilfe der „emotionalen Selbstbegleitung“, die bei Sehnsucht und Hunger gelehrt wird, können „Dünne Dicke“ diese Schutzmechanismen achtsam in den Blick nehmen, den emotionalen (und körperlichen) Spannungen, die damit verbunden sind, einen Ausdruck geben und sich so den eigenen verletzten Seiten behutsam nähern. So verliert das Symptom „emotionales Essen“ nach und nach seine Funktion und wird abgelöst durch eine emotionale Hinwendung zu sich selbst durch den Aufbau einer erwachsenen liebevollen Instanz, die das kann.